Übergabe der Protestnote bei „Stadt und Land“

Berlin-Neukölln, 8. März 2010 – Vor dem Verwaltungsgebäude von „Stadt und Land“ in der Werbellinstraße haben sich stellvertretend für mehr als 200 MieterInnen ca. 20 MieterInnen versammelt, um zusammen mit der Initiative „Karla Pappel gegen Mieterhöhung und Verdrängung“, dem „Mietenstopp-Bündnis“ und im Beisein von Presse ihren Protest gegen die angekündigten Mieterhöhungen auszudrücken.
Bernhard Schütze, Prokurist bei „Stadt und Land“, tritt um elf Uhr vor die Tür, will zunächst nur die Protestnote entgegennehmen und keine Stellung zu den Mieterhöhungen beziehen. Auf Nachfragen erklärt er, dass die Mieterhöhungen mit dem Mietspiegel juristisch einwandfrei begründet seien und dass es daher keinen Grund gebe, diese zurückzunehmen. Sie kämen den MieterInnen sogar noch entgegen, da sie den Mietspiegel nur um 92% ausreizten.

Die MieterInnen sind mit dieser Begründung nicht einverstanden, da Löhne und Renten seit Jahren sinken und die Kosten immer weiter steigen würden. Außerdem habe „Stadt und Land“ an den Häusern keine Modernisierungs- oder Instandhaltungsmaßnahmen vorgenommen, welche diese Erhöhungen rechtfertigen könnten. Die Wohnungsbaugesellschaft habe einen sozialen Auftrag, nämlich bezahlbaren Wohnraum für breite Bevölkerungsgruppen zur Verfügung zu stellen, insbesondere auch für die einkommensschwachen.
Bei einem Gewinn von 7,8 Millionen Euro im Jahr 2009 könne man nun auch nicht von einem notleidenden Unternehmen sprechen.
Der  Frage, warum „Stadt und Land“ trotzdem die Mieten erhöhe, weicht Herr Schütze aus. Es sei politisch erwünscht, dass das Unternehmen wirtschaftlich handle. Auf Nachfragen widerspricht er jedoch, dass der Druck vom Berliner Senat komme: Er allein habe die Mieterhöhungen zu verantworten.

Er führt an, dass einige Stadtteile eine höhere Miete zahlen müssten, quasi aus Solidarität, damit die Miete in anderen Stadtteilen günstiger ausfallen könne, wie z. B. im Rollbergviertel. Dort hat man Mieterhöhungen zurückgenommen, weil die Bevölkerung diese nicht hätte bestreiten können.
Da es sich beim Rollbergviertel aber eher um einen weniger attraktiven Stadtteil handelt, ist die Rücknahme weniger auf Nächstenliebe als vielmehr auf die Angst vor Leerstand zurückzuführen. Herr Schütze versichert, man habe sich bei den entsprechenden Stellen informiert, der Kungerkiez weise einen sozialen Index von +2 auf, wohingegen man beim Rollbergviertel einen Wert von -4 annehme. Alt-Treptow könne es also verkraften, mehr zu zahlen.

Diese Art der Durchschnittswertbildung hilft den BürgerInnen, die aufgrund ihres niedrigen Einkommens gezwungen sind wegzuziehen, leider nichts. Es hilft ihnen auch nicht, wenn es am Stadtrand, am besten in Flughafennähe, günstigen Wohnraum gibt, wenn sie seit Jahrzehnten in Alt-Treptow leben und ihr soziales Umfeld dafür verlassen müssten.

Die Nachfrage nach Wohnraum im Kungerkiez steigt. Es gibt eine Mittelschicht, die bereit ist, weit höhere Mieten zu zahlen als ortsüblich. Dass die einkommensschwache, alteingesessene Bevölkerung dadurch verdrängt wird und eine soziale Entmischung stattfindet, wird von der Politik billigend in Kauf genommen oder sogar noch gefördert.
Im Nachhinein beschwert man sich dann über soziale Brennpunkte und darüber, dass Bildungssystem und Integration gescheitert seien.

Herr Schütze nimmt die Protestnote abschließend entgegen und erklärt, man werde sich mit der Geschäftsführung beraten. Eine Rücknahme der Mieterhöhungen hält er jedoch für unwahrscheinlich und verweist auf Härtefallreglungen, welche die einzelnen MieterInnen erwirken könnten.

Protestnote

Protestnote


Text Protestnote
:

Die MieterInnen
von Stadt und Land
in Alt-Treptow

an den Geschäftsführer der
städtischen Wohnungsbaugesellschaft
Stadt und Land
Herr Niestroj

unterstützt von „Karla Pappel,
Initiative gegen Mieterhöhung und Verdrängung“
und Mietenstopp-Bündnis

Protest

–  Stadt und Land hat einen sozialen Auftrag!!
–  Als kommunaler Wohnungsträger hat „Stadt und Land“ eine besondere Verantwortung.
–  Durch die geplanten Mieterhöhungen werden Menschen, die zum Teil schon Jahrzehnte hier wohnen, aus ihrem sozialen Umfeld verdrängt.
–  Wir wollen, dass alle Menschen, unabhängig von ihrem Einkommen, in ihren Wohnungen bleiben können.
–  Wir akzeptieren nicht, dass der Mietspiegel Grundlage von Mieterhöhungen ist!
–  Wir akzeptieren die Mieterhöhungen nicht und fordern die sofortige Rücknahme der Mieterhöhungen!

Und das schreibt die Presse:

„Verdrängung als Konzept“ von Christian Linde, junge Welt vom 9. März 2010

„Kungerkiez wird teurer“ von Peter Nowack, taz vom 8. März 2010

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