Dialog 1

„Karla Pappel“: beliebt, berüchtig, gehasst, geliebt. Die kleine Stadtteilinitative – die gar nicht so klein ist- erfreut sich großen Zuspruch. Außer uns sind auch noch einige andere Menschen gegen Verdrängung und Mieterhöhung in diesem Kiez aktiv. Die Webseite ist ausgesprochen stark frequentiert. Menschen, die unsere Arbeit schätzen klicken uns an. Für Architekten und Bauherren, die sich über den Widerstand gegen ihre Geldprojekte informieren wollen,  ist die Seite ein Muß geworden. Hauseigentümer schrieben uns  direkt an, meist ärgern sie sich über Veröffentlichungen. Verunsicherte KiezbewohnerInnen fragen uns. Und wollen mehr von unseren Positionen verstehen. Manchmal werden wir auch indirekt als Nazis bezeichnet, die den Baugruppen einen gelben Stern aufheften wollten. Das diskreditiert sich von selbst. Es geht um Mieterhöhung und Verdrängung und der Zerstörung einer sozialen Mischung im Kiez. Aber Karla Pappel antwortet geduldig und pointiert bisher auch dem dümmsten Beitrag. Ehrenamtlich, versteht sich. Vor allem Baugruppenarchitekten und deren EigentümerInnen – wir haben mittlerweile 7 Baugruppen im Kiez – setzen sich seltenst mit der Kritik an ihnen auseinander. Sie bevorzugen den Konflikt zu personifizieren und zu entpolitisieren. (Wir werden demnächst zu deren Doppelmoral einen Roman verfassen)

Wir nehmen mal exemplarisch eine von vielen Zusendungen an uns, und veröffentlichen den Dialog. Der Name ist geändert. Auf unsere Antwort hin hat sich dieser Mensch nicht mehr gemeldet. Bisher hat unsere Position noch niemand  entkräften können. Die Eigentumsrechte, die Machtverhältnisse mögen für den Verdrängungsprozess eine Legitimation abgeben – vom sozialen Aspekt ist das was in dieser Stadt passiert und auch im Kungerkiez eine politische und moralische Sauererei.

Sehr geehrte Frau Pappel
Ich bin (…) eigentümer und trotzdem gegen gentrifizierung
– für mich wurden auch keine mietwohnung umgewandelt oder inselmärkte
zugebaut. ich bin gebürtiger kreuzberger und kämpfe seit jahren gegen
verdrängung. wir mussten umziehen (wegen zweiten kind) und haben in
kreuzberg nichts mehr unter 1400 euro/monat miete gefunden. wir arbeiten
beide und haben pro monat ca. 1900 euro netto zum leben für 4 leute, wie
sollen wir dann so viel miete bezahlen? wir haben jekauft und zahlen
jetzt 700 euro/monat für eine vergleichbare bude – ihr solltet nicht
vergessen, dass es vielen familien ähnlich geht und kauf oder selber
bauen, hausgemeinschaft, kaufgemeinschaften auch möglichkeiten sind,
teile der bevölkerung vor verdrängung zu schützen. nicht familien und
kinder sind eure feinde, sondern manager die als single in riesen lofts
wohnen und für die die berliner preise peanuts sind.

auch habe ich viele künstler-freunde, die in new york brooklyn nicht
mehr überleben konnten und jetzt in unserer nachbarschaft leben
(mittlerweile um die 50 leute). 10 stunden am tag arbeiten und nachts an
der kunst arbeiten reicht dort nicht mehr zum überleben. ich bin stoltz
darauf, diesen leuten hier in berlin einen hafen bieten zu können und es
macht berlin reicher. Ich bin PRO zuzug und zuwanderung!!!

nur mal ein paar überlegungen, gegen schwarz-weiß-malerei 😉

ich wünsche euch viel glück bei eurer initiative und kämpfe auf meiner
front im geiste mit!

greets,
Schlichter aus der Kiefholzstr.

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Sehr geehrter Herr Schlichter,

hegen sie gewisse Vorurteile? Wir haben auch Familien und Kinder …
Vielleicht unterscheidet einige Familien aber das nötige Kleingeld. Einige bauen sich Häuser, die Mieten steigen durch die Eigentumshäuser. „Aufwertung“ heißt der zynische Begriff. Damit werden diejenigen abgewertet, die sich das Wohnen im Kiez nicht mehr leisten können – sie verstehen: das nötige Kleingeld. Und die Baugruppen im Kiez heizen den Mietspiegel an – das wollen diese Leute nicht wahrhaben – ist denen auch egal, denen geht es nur um sich. Der Zusammenhang ist aber belegbar. Sie sind vielleicht aus Kreuzberg verdrängt worden – überlegen Sie mal ob Sie als Eigentümer mit ihrer Handlung diesen Prozess nicht weiter fortsetzen? Was tun Sie konkret dagegen, das wir, die „wir“ hier wohnen auch wohnen bleiben können. Also die Armen, die Hartz 4-ler, Alleinerziehende, arme Familien, Alkis, KünstlerInnen, OstrentnerInnen etc., damit es uns nicht so geht wie denen in New York. Da hat es genauso begonnen. Fragen Sie Ihre Freunde. Wenn diese nicht nur Kunst gemacht haben, sondern sich auch für die Gesellschaft interessiert haben, müssten die Ihnen das bestätigen. Berlin ist eine der letzten Metropolenstädte, die jetzt zum Ausverkauf steht.
Auch in unserer Gruppe ist ein Mensch von Kreuzberg vertrieben worden – dieser Mensch hat um seine Wohnung gekämpft. Mit vielen. Mit einem großen Polizeiaufgebot eines rot-roten Senats wurden die Besitzverhältnisse geklärt. Der Eigentümer entscheidet. Jetzt wohnt da für eine bis zwei Millionen ein Schauspieler in der Wohnung. Mögen Sie Till Schweiger?

Niemand ist gegen Zuzug und Zuwanderung! Was soll diese Unterstellung? Sie unterstellen etwas, das mit uns nichts zu tun hat. Aber wir wollen keine Umwandlungen mehr von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen. Wir wollen keine neuen Townhouses und Baugruppen mehr hier. Keine Yuppies und Manager sowieso. Das ist richtig! Weil für Arme die Luft hier sehr dünn geworden ist. Sie beurteilen nur aus ihrer Sicht die Dinge – ich lebe von 576,- Euro im Monat. Alleine. Aber versuchen Sie mit dem Geld die Miete zu zahlen, den Kühlschrank voll zu bekommen und sich einzukleiden. Stellen Sie sich vor, auch ich trinke gerne mal einen Kaffee in einem Cafe. Das ist unmöglich!
Verstehen Sie das? Schwarz-Weiß-Malerei ist ein Totschlagargument gegenüber denen, die sich wehren müssen und es ist der Versuch selber auf einer „guten“ Seite stehen zu wollen. So einfach ist das eben nicht! Unterstützen sie uns konkret. Oder handeln Sie selbst gegen die Ungerechtigkeit mit der wir zusehen sollen, dass unser Kiez und die Stadt im Ausverkauf gehandelt wird. Sonst wohnt hier nur noch der, der gerade Glück gehabt hat oder das nötige Kleingeld. Wird dann auch langweilig und öde für Sie.
Alles andere ist nicht sehr glaubwürdig.
Verzeihen Sie den scharfen Ton, aber vielleicht müssen Sie Ihre Sicht auf die Dinge noch einmal neu ordnen. Es hätte wenig Sinn Ihnen brav nach dem Mund zu reden oder Ihre Mail zu ignorieren.
Wir kämpfen dann erst an einer „Front“ im Geiste miteinander, wenn wir auch dasselbe wollen und meinen.
Meine Antwort steht nicht für die Position der Stadtteilgruppe Karla Pappel – ich bin nur für die Verwaltungsarbeit zuständig.
Mit freundlichen Gruß Herta Pappel

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