Bevor wir den offenen Brief auf einen verlorenen Freund abdrucken, ein paar einleitende Worte vorweg.
Wir haben schon viel erlebt… Was wurden wir angegiftelt und niederträchtig beschimpft als wir die Baugruppen mit ihrem Eigentumsneubauwahn im Kiez zum Thema machten? Was mussten wir uns für einen Müll in der BVV-Treptow vom Baustadtrat Hölmer anhören, der sein Lieblingsprojekt am Spreeufer – Luxusbauten von Agromex – verteidigte? Was haben wir die Arroganz der Macht zu spüren bekommen als die Spezialdemokraten die A100 durch die Kleinanlage und die Häuser in der Beermannstrasse mit Hilfe der Polizei trieben? Und es verwundert auch nicht das sich Leute auf unsere soziale Arbeit drauf setzen und sagen zum Beispiel: Karla Pappel ist Scheiße, aber wir haben ja eine Mietberatung im Kiez, die ist super. Obwohl wir die Mietberatung hergeholt haben. Es ist aber auch ein Trauerspiel mit dieser Mieter“gemeinschaft“, die zwar kompetente Anwälte bereit stellt, aber eine unserer engagierte Anwältin aus der Beratung (Carola Handwerk und Henrik Solf) rausschmiss weil sie wagte die poststalinistischen, hierarchische Struktur der Vereins anzugreifen (wir fordern immer noch ihre Wiedereinstellung) (Mehr auch hier: Link zu den Anwält*innen). Wir haben auch nicht den Löffel abgegeben, als ein übler Journalist im Auftrag im Zusammenspiel mit Tom Schreiber (SPD) einen Hetzartikel gegen uns verfasste, der noch immer seines gleichen im Kiez sucht.
Wir erwarten kein Danke Schön, kein Entschuldigungen, kein Respekt von solchen Leuten, die sich auf Kosten anderer bereichern.
Wir werden von Menschen im Kiez, die mit wenig Geld über die Runden kommen müssen, nach wie vor respektiert und geachtet, weil sie den Wert unserer Arbeit kennen. Und das gilt auch für den Kampf um die Heidelberger Str. 15-18. Ohne unsere Arbeit, und zwar über ein Jahr hinweg, im engen Kontakt mit den Bewohner und Bewohnerinnen, wäre der Skandal um den „Wohnungbauverein Neukölln“ nie offen und zu einer Schlagzeile geworden. Schlagzeilen in der man unseren Anteil und unsere Erfahrungen sowieso ausblendet und unsere Arbeit ausbeutet – wie in der Zeitschrift „Jungle World“ oder im „Mieterecho“. Man setzt sich eben gerne drauf auf unsere Arbeit oder verteufelt sie.
So ist das, wenn Initiativen sich nicht hat kaufen oder das Maul verbieten lassen.
Zur Vorgeschichte:
Als wir unseren „Verlorenen Freund“ anriefen, den wir zu dem Zeitpunkt noch nicht kannten, und dem wir unsere Unterstützung gegen den WBV-Neukölln zusagten gab es nur einen kurzen Moment der Verwunderung. Er kannte uns vom Hörensagen, wenn wir uns nicht falsch erinnern. Wir regten an, das er Flyer in seinem Haus verteilen könne und wir eine gemeinsame Veranstaltung machen würden – gegen die Entmietung und Abriss der Heidelberger Str. 15-18. Er war skeptisch ob sich überhaupt wer mobilisieren ließe. Und er hatte kein Geld, also haben wir die Flyer bezahlt. Und siehe da, an die zwanzig Leute waren da. Einige hatten leider schon auf Druck der unteren WBV-Schergen ihre Entmietung unterschrieben. Doch gemeinsam blieben wir über ein Jahr verbunden, machten Aktionen zusammen und diskutierten viel über die nächsten Schritte. Unser „Verlorener Freund“ war recht aktiv, unterstützte uns beim Verteilen von Karla-Pappel Zettel, begleitete uns auf der Demo gegen die Räumung von „Allemende“. Auf Nachfrage sagte er, dass es im gut täte mit uns und das er das nicht kenne das Leute was für andere machen würden. Zu dem Zeitpunkt eröffnete sich ihm einen neue Welt, so unser Eindruck. Doch dann gelang es dem WBV-Vorstand nach und nach Leute umzusetzen und langsam die „Entschädigungen“ zu erhöhen (2000,-) um die Leute zu locken. Doch die Unterstützung die wir brauchten blieb unserer Meinung zu gering. Die Stammtischlinken im Kiez kamen nicht – wie immer. Die Baugruppengentrifizierer*innen pflegten ihre Eigenheimneurosen. Die Trinker tranken. Und die Mietaktivist*innen aus den anderen Kiezen verirrten sich, so scheint es, noch immer nicht gerne in den pieffigen Kiez.
Von Außen, und in völliger Unkenntnis der sozialen Situation und unserer Arbeit, schlugen einige Menschen vor die leeren Wohnungen an Flüchtlinge zu vergeben. Eine schöne Idee, aber nicht in Absprache mit uns und den Bewohner*innen auf den Tisch geschmissen, brachte das erst mal nur Konfusion. Unsere Idee, den Kampf um Wohnraum wollten wir verbunden wissen, mit dem Kampf der Flüchtlinge, den Bewohnerinnen der Heidelberger Strasse und andere von Wohnungsnot betroffenen Menschen. Und so macht uns auch Pegida eine Strich durch die Rechnung, weil die rechte Denkweise nun auch bei den Bewohnern der Heidelberger Straße griff. Man wolle „nicht in einem Flüchtlingsheim wohnen“, war das Mantra um sich von uns abzusetzen und sich wieder in die Arme einer rassistischen und korrumpierten Wohnungbaugesellschaft zu begeben, die gerade bezahlbaren Wohnraum vorsätzlich vernichtet.
Hallo „Verlorener Freund“;
ich sag es mal wie es ist: „menschlich enttäuschend“. So einen Eindruck macht es, wie Du und Ihr Euch zuletzt verhalten habt. Als würde es uns gar nicht gegeben haben, als wäre die Zusammenarbeit und Unterstützung für Euch nicht eine Qualität, eine Bereicherung für uns alle gewesen. Erinnerst Du Dich? Ihr habt Euch bedankt, als wir Euch einluden und unsere Erfahrungen an Euch weitergaben? Mit Euch Aktionen planten, Flugblätter mit Euch verteilten. Uns mit den Trotteln von der CDU in der BVV rumschlugen, die uns mit „Entfernen Sie diese Objekte“ begrüßten.
Dass Ihr dem Druck nicht habt standhalten können ist das eine. Auf Euch lastete ein großer Druck. „Suchen sie sich was neues, sie werden sich die Wohnungen danach hier nicht mehr leisten können“. Aber Ihr hattet alle Möglichkeiten, es war keine Kündigung ausgesprochen und trotzdem zieht Ihr jetzt aus. Obwohl Ihr nicht wolltet. Sie haben Euch eingekauft. Für ein Appel und ein Ei. Sich so billig wegkaufen zu lassen ist schon problematisch… Wir wissen, wie schwierig es ist, sich in den eigenen vier Wänden nicht mehr sicher zu fühlen. Wir verstehen, dass man auch Strohhalme ergreift und auch dass ihr den politischen Weg, den wir vorgeschlagen haben, zwar einen großen Teil mitgegangen seid aber es Euch auch irgendwann über den Kopf gewachsen ist. Als von uns der Vorschlag kam Euren Kampf mit dem der Flüchtlinge zu verbinden wurde es zu schwierig für Euch. Von der Argumentation her habt Ihr Euch auf die Seite von Pegida und AfD geschlagen, obwohl ihr selbst zu den Verarschten gehört. Der Vorstand der WBV, historisch auf Seiten der Nazis zu einem frühen Zeitpunkt, betreibt aktuell eher eine Vergabepolitik der Wohnungen an Deutsche, so einige kritische Genossenschaftsmitglieder in Gesprächen mit uns, die wir als rassistisch identifizieren. Man hat Euch billig einkaufen können – Für eine Wohnung im Wilmersdorf, für einen Innenanstrich in der gewünschten Farbe, der entsprechenden Raumaufteilung etc…
Aber ihr habt gut verdrängt das ihr diese Zugeständnisse überhaupt nur bekommen habt, weil wir gemeinsam diesen Kampf gegen die WBV führten, gegen den korrupten Vorstand, der eingekauften Genossenschaftsvertreterversammlung. Wir brauchen dafür kein Danke Schön. Aber wir sind menschlich enttäuscht, weil ihr so wenig von dem Respekt mitgenommen habt, den wir Euch entgegengebracht haben und diesen Respekt nicht würdigen konntet. Weil Ihr eine gemeinsame Erfahrung jetzt mit Füßen tretet.
Wir dürfen Euch keine Vorwürfe machen , denn wieso sollt Ihr jetzt entschlossener kämpfen als die zum großen Teil korrupte Linke, die ja in diesem Kiez zeigt, wo sie steht: Eigentumswohnungen bauen und sich an Verdrängungsprozessen beteiligen und gleichzeitig ihren Anteil ignorierend. Und Ihr hattet Euch ja ursprünglich keinen politischen Kampf ausgesucht – Ihr wolltet ja in erster Linie erst mal da wohnen bleiben, wo Ihr ward und ward froh, das wir Euch darin unterstützten und Euch stärken konnten.
Aber dann habt Ihr habt es Euch doch zu einfach gemacht. Indem Ihr nicht versucht habt zu verstehen, dass der Kampf mit Geflüchteten, Obdachlosen und anderen Armen zusammen gehört und Euch zusammen gehört. Ihr habt Euch zurückgezogen weil Ihr kein Flüchtlingswohnheim sein wolltet, in dem Ihr wohnen müsst. Niemand wollte das und schon gar nicht die Flüchtlinge.
Wir können Euch nur bedingt Vorwürfe machen. Wir waren einfach nicht stark genug Euch die Kraft und Hoffnung zu zeigen die in einem Kampf für eine befreite Gesellschaft liegt. Ihr seid ein Stück des Wegs mit uns gegangen. Ihr seid weiter gegangen als viele Linke, die sich zum Beispiel wie in der Lausitzer Straße von Ziegert haben einkaufen lassen. Hier lassen sich ja Menschen sogar schon bei einem gesetzlich legalen Mietenvolksentscheid von der Politik kaufen.
Aber Ihr seid letztlich nicht an uns oder an den Flüchtlingen gescheitert, die niemand von uns kennengelernt hat, weil Ihr ja schon dicht gemacht habt, bevor wir einen Schritt in die Richtung machen konnten. Vielleicht seid ihr am Ehesten auch an Euch gescheitert, Eurer rassistische Sichtweise eines Teils von Euch, der eine echte Katastrophe war, wenn wer in den Versammlungen zum Beispiel von „Kanaken“ redete.
Und ihr seid an den Verhältnissen gescheitert. Das eine WBV eine rassistische Wohnungspolitik betreibt. Das die brutale Verdrängungspolitik der SPD diese Machenschaften stützt und natürlich auch in Neukölln nicht anders tickt wie in Treptow und der Baustadtrat seinen Segen zur Vernichtung bezahlbaren Wohnraums gab.
Das in dieser Stadt Investoren der Arsch geleckt wird, während die Armen allenfalls zu einem polizeilichen Problem werden, wenn sie sich nicht fügen.
Ihr mögt nun eine Wohnung nach Eurem Geschmack haben und somit „gewonnen“ haben gegen die WBV, für die die 2000,- Umzugshilfe aus der Kaffeekasse finanziert werden kann.
Wir haben nicht verloren, außer Euch. Euch haben wir verloren, das schmerzt am meisten. Um Euch tut es uns leid, weil Ihr zurückgeschreckt seid. Und die Chance eines würdevollen Weges nicht versucht habt weiter beschreiten. Aber wir sollten Euch das nicht nachtragen – der aufrechte Gang – den macht uns niemand vor. Für den müssen wir uns täglich entscheiden. Oder gegen ihn. Aber wir haben dazu gelernt. Und machen weiter!
Niemand wird allein gelassen – ob mit deutschen Pass oder ohne, ob mit gelber, grüner, schwarzer oder weißer Hautfarbe. Ob Männlein, Weiblein oder was anderes.
Wir wünschen Euch alles Gute und dass Ihr den Mut findet eines Tages Menschen in der Not ebenso die Tür zu öffnen, wie wir hoffen, sie Euch offen halten zu können, wenn uns die Kämpfe auf die selbe Seite der Barrikaden gespült haben.
Alles Gute
Ein Kanake von Karla Pappel