Corona; und wie geht es den Geflüchteten?

Gerade denken viele Leute bei dem Coronavirus an sich. An die Familie.
An das Klopapier. An den Abstand zum Nachbarn. 
Andere Menschen fallen schnell hintenrunter. Wir veröffentlichen einen 
Appell zu diesem Thema: 

*Appell zur Corona-Lage*

* *

*Gesundheitsversorgung sicherstellen! Lager auflösen! Menschen und ihre
Rechte schützen!*

* *

*Ein gemeinsamer Appell von We’ll Come United, Landesflüchtlingsräten
und bundesweiten Medibüros/Medinetzen*



Während Bundes- und Landesregierungen in nahezu allen Lebensbereichen
strikte Maßnahmen gegen eine weitere Ausbreitung der COVID-19-Epidemie
ergreifen, werden Geflüchtete in den Lagern (Aufnahmeeinrichtungen,
Gemeinschaftsunterkünften, sogenannten Ankerzentren) und in der
Abschiebehaft sowie Illegalisierte und Menschen ohne
Krankenversicherungsschutz nur unzureichend geschützt. Aufgrund der
engen Belegung und der meist gemeinschaftlichen Nutzung von Bädern,
Küchen und anderen Flächen sind die in den Sammelunterkünften
untergebrachten Menschen besonders gefährdet, sich mit dem Corona-Virus
zu infizieren. Gleichzeitig haben sie aufgrund mangelnder Informationen,
geringerer finanzieller Mittel und oft fehlender sozialer Netzwerke nur
wenig Möglichkeit, sich an die gegenwärtige Situation anzupassen.

We’llCome United, die Landesflüchtlingsräte, die bundesweiten
Medibüros/Medinetze und viele weitere Organisationen und Initiativen
appellieren an die Bundes- und Landesregierungen, dem dynamischen
Epidemiegeschehen sofort zu begegnen, Gesundheitsversorgung für alle zu
garantieren und einen Leerzug der Massenunterkünfte zu veranlassen.
Geflüchtete, die den Risikogruppen angehören, müssen unverzüglich einen
adäquaten Schutzraum und angemessene Versorgung erhalten – zum Schutz
der Einzelnen und zum Schutz aller Menschen in dieser Gesellschaft.

Verminderung sozialer Kontakte, das Einhalten eines Mindestabstands und
Sicherung hygienischer Standards sind notwendig, um eine weitere
Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus zu verhindern. All das ist für
Tausende von Menschen derzeit nicht möglich. In einigen
Geflüchtetenunterkünften kam es bereits zu Erkrankungen und häuslicher
Quarantäne von Hunderten von Menschen auf engstem Raum, beispielsweise
in Suhl (Thüringen), in Berlin und in München. Zuverlässige
Informationen in den benötigten Sprachen fehlen, Menschen harren in
Unsicherheit und Angst hinter verschlossenen Türen aus und versorgen
schwer erkrankte Zimmernachbar*innen, wie zum Beispiel in München, von
wo es außerdem bereits Berichte von Willkür und Gewalt durch
Sicherheitspersonal gibt.

Oder die Polizei rückt in einem Großeinsatz an, um eine Quarantäne
durchzusetzen, bevor die Bewohner*innen auch nur ansatzweise
strukturierte mehrsprachige Informationen erhalten haben, was Quarantäne
bedeutet und warum sie verhängt wurde, und löst damit eine große
Verunsicherung und Proteste aus, wie in Suhl (Thüringen).

Einem akuten Infektionsgeschehen darf nicht mit Zwangsquarantäne einer
gesamten Unterkunft und ihrer Bewohner*innen und gewaltvoller
Durchsetzung der Maßnahmen begegnet werden. Vielmehr sind Informationen
und Aufklärung hierbei unumgänglich, um die Menschen vor sowohl
gesundheitlichen als auch psychischen Schäden zu schützen. Wir fordern
die dauerhafte Sicherstellung des Zugangs zu Information, mehrsprachigen
Materialien, Verdolmetschung und Vermittlung von zuverlässigen
Informationen. Zugang zum Internet über WLAN muss unverzüglich und
flächendeckend für alle Geflüchtetenunterkünfte organisiert werden.

Auch ist Zugang zu psychologischer Beratung notwendig, da die Situation
der Quarantäne auch traumatisierend oder retraumatisierend wirken kann.

Wir fordern eine sofortige Auflösung der Massenunterbringung in
Gemeinschaftsunterkünften, Erstaufnahmeeinrichtungen und Ankerzentren.
Das damit verbundene Infektionsgeschehen ist nicht zu verantworten.
Geflüchteten, die Risikogruppen angehören wie Ältere oder Menschen mit
Vorerkrankungen müssen insbesondere geschützt werden. Im gesamten
Bundesgebiet stehen zahlreiche Wohnungen, Ferienapartments und Hotels
leer. Diese Räume müssen sofort durch die zuständigen Behörden zur
dezentralen Unterbringung aktiviert und genutzt werden.

Der eingeschränkte Zugang zu Gesundheitsversorgung in Abhängigkeit vom
Aufenthaltstitel und Sozialleistungsanspruch kann in der momentanen Lage
über Leben und Tod entscheiden. Wir fordern eine sofortige
flächendeckende Öffnung des Gesundheitswesens und einen unbürokratischen
Zugang zur regulären Versorgung für alle Menschen. Auch illegalisierte
Menschen und Personen ohne Krankenversicherung müssen ab sofort getestet
und gegebenenfalls behandelt werden. Es muss ausdrücklich zugesichert
werden, dass sensible Daten nicht an die Ausländerbehörde übermittelt
werden (Aussetzung §87 Aufenthaltsgesetz). Die Kosten für diese dringend
notwendigen Gesundheitsleitungen sind selbstverständlich aus
öffentlichen Mitteln zu bestreiten (z.B. Handhabung im Sinne von §19,
§25, §69 Infektionsschutzgesetz und Anwendung des „Nothelferparagraphen“
§6a Asylbewerberleistungsgesetz).

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge muss die Versendung
negativer Bescheide unverzüglich einstellen. Aufgrund von geschlossenen
Beratungsstellen und eingeschränktem Besuchsverkehr bei Anwält*innen ist
es momentan für Geflüchtete kaum möglich, gegen negative Bescheide
rechtlich fristgerecht vorzugehen.

Sämtliche Kürzungen von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
müssen aufgehoben werden. Da Beratungsstellen und Kanzleien nach und
nach schließen, ist der Zugang zu einer effektiven Rechtsberatung nicht
mehr gewährleistet.

Wir fordern einen Abschiebestopp und die pauschale Verlängerung aller
Aufenthaltstitel mit sofortiger Wirkung. Bei geschlossenen Grenzen und
weltweiten Reisewarnungen ist es absurd Abschiebungen weiter
durchzuführen. Menschen in Abschiebehaft sind sofort zu entlassen.

Wer sich momentan an der griechisch-türkischen Grenze und in den Lagern
auf den griechischen Inseln befindet, ist hygienischen Zuständen und
psychischen Belastungen fern jeglicher Standards ausgesetzt. Wir
fordern, die Menschen aus Griechenland sofort zu evakuieren!

#LeaveNoOneBehind!

*Unterzeichner*innen:*

PRO ASYL

BAfFe.V. Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für
Flüchtlinge und Folteropfer.

Seebrücke – Schafft sichere Häfen

Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und MigrantInnen

XENION – Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V.
 
Bon Courage e.V., Borna

AG Asylsuchende Sächsische Schweiz/ Osterzgebirge e.V.

Kampagne “100 Jahre Abschiebehaft”

Abschiebehaftkontaktgruppe Dresden

ausbrechen – Antifa Paderborn

Initiativkreis: Menschen.Würdig, Leipzig

Migrationsrat Berlin

Verein iranischer Flüchtlinge in Berlin e.V.

IniRromnja

RomaniPhene.V.

YAAR e.V.

AKuBiZe.V., Pirna

AGIUA e.V., Chemnitz

Aufstehen gegen Rassismus, Chemnitz

Women in Exile & Friends

Jugendliche Ohne Grenzen

Refugees4Refugees

Anlaufstelle PRO ROMA Waldkirch

United Refugees Rights Movement Karlsruhe


Quelle: https://www.welcome-united.org/de/appell-zur-corona-lage/

 

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