Der letzte Inselmarkt

VERDRÄNGUNG IN ALT – TREPTOW
Das andere Gesicht der Gentrifizierung

Von Janina Browatzki

Alt – Treptow erlebt seit einiger Zeit einen Bau- und Baugruppenboom. Und es sind nicht nur die Freiflächen und Baulücken, die aufgekauft und mit Supermärkten und Eigentumswohnungen zugebaut werden. Auch Plätze, an denen das Kiezleben gepflegt und kultiviert wird, sind betroffen und gehen fast unbemerkt in neue Hände über. Spuren hinterlässt das nicht nur bei Geringverdienern, die die Opfer der Gentrifizierungsprozesse sind, sondern bei allen.

Der INSELMARKT in der Karl – Kunger – Strasse in Alt Treptow war ein Dorfplatz in der Großstadt: eine schattige Baulücke, die von engagierten Menschen gestaltet wurde: zwei Mal in der Woche Gemüsemarkt, eine Fahrradwerkstatt, Flohmarkt, Buddelkiste für die Kleinen, Hamburgerverkauf usw. Ein öffentlicher Platz, an dem sich Urbanität und Kleinstadt in idealer Synthese mischten.

Im September 2010 wechselte der INSELMARKT für ca. 400.000 Euro den Besitzer, der Pachtvertrag für die Betreiber wurde gekündigt und heute ist der Platz so gut wie geräumt. Neuer Eigentümer sei eine Privatperson, die, soweit wir durch zufällige Recherche erfahren haben, ein Mietshaus auf dem Platz errichten wolle. Der Quadratmeterpreis solle bei 8 Euro liegen, also deutlich über dem hiesigen Mietspiegel. Ob zusätzliche Eigentumswohnungen im Hinterhof entstehen werden, bleibt abzuwarten.

Die Langzeitfolgen dieser Prozesse sind bekannt, oft kritisiert, aber nicht aufhaltbar: der Kiez wird „aufgewertet“. Die Mieten steigen im gesamten Viertel und auf lange Sicht werden alle, die sich das nicht leisten können, den Kiez verlassen. Aber sind wirklich nur Geringverdiener betroffen? Greift Gentrifizierung nicht viel weiter?

Unter dem Motto: „Der letzte INSELMARKT – geben wir der Veränderung ein Gesicht“ trafen sich am 26. März trotz der großen Anti – Atomkraft – Demo etwa 50 Leute vor dem Gelände des ehemaligen Inselmarktes für ein Gruppenfoto. Eigentlich war das Foto mitten auf dem Platz geplant, dass wurde aber kurzerhand vom ehemaligen Pächter, der zu dem Zeitpunkt noch das Hausrecht inne hatte, untersagt.

So musste auf den Bürgersteig ausgewichen werden, im Hintergrund das, mit einer Kette, verschlossene Tor des Inselmarktes. Den Initiatoren ging es bei der Aktion in erster Linie darum, den Schlagworten GENTRIFIZIERUNG und VERDRÄNGUNG Leben einzuhauchen und aufzuzeigen: alle im Kiez sind betroffen.

Die eigentliche Frage ist: warum suchen sich Investoren und Baugruppen den Kunger Kiez aus? Weil er durch vielerlei attraktiv ist. Das dörfliche Flair, das unter anderem suggeriert, dass man seine Kinder behütet großziehen kann, ist nur ein ausschlaggebender Aspekt. Und warum das? Weil man einander kennt. Nicht zuletzt wegen Orten wie dem INSELMARKT.
Dass die Zerstörung solcher Flächen zu einer Anonymisierung im Kiez führt, die Investoren und Baugruppen also ihre eigenen Beweggründe sich hier anzusiedeln, zerstören, scheint in diesem Fall noch niemand bedacht zu haben.

Aus gegebenem Anlass planen die Initiatoren nun Ende Mai ein grosses Happening in der Bouchéstrasse, nur wenige hundert Meter vom ehemaligen Inselmarkt entfernt. Hier wird, auf der Freifläche neben dem Cabuwazi, ein EDEKA Markt errichtet werden. In einem Radius von 500m finden sich dann zwei NETTO Märkte, ein KAISERS, ein EDEKA und eine LPG.
Nachvollziehbar, denn durch die Aufwertung des Wohnumfelds steigt natürlich auch die Kaufkraft. Dass das den Bürger aber in unvorhersehbare Konflikte stürzen kann, soll die Aktion „ZIVILER WAHNSINN – Bei Edeka! – Kann ich mein Konsumverhalten jetzt noch gerecht verteilen?“ aufzeigen.

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