Erfolgreicher Kiezspaziergang

Bei strahlendem Sonnenschein trafen sich am Sonntag den 17. Oktober zwischen 80 und 100 Menschen aus dem Kiez und angrenzenden Kiezen. Der Kiezspaziergang begann an der Bibliothek im Kunger-Kiez.

Angsichts der großen Menge von Menschen mußte die Stadtteilinitative Karla Pappel auf ein Megaphon umsteigen. Der erste Beitrag war über die Armutsituation  vor allem von Kinder und Jugendlichen in Alt Treptow. Diese unterscheidet sich nicht wesentlich von den angrenzenden Kiezen und ist sehr hoch (wenn wir es schaffen machen wir dazu einen Beitrag auf dieser Seite). Ein weiterer Beitrag ging auf die Schließung von Jugendtreffs (Club 112) ein, die vor allem die armen Schichten in Alt Treptow und dem angrenzenden Neukölln trifft.

  • Der nächste Halt war an der Elsenstraße 35/36. Luxus-Townhouses sind dort geplant : mit einem Quadratmeterpreis von über 3000,- Euro. Auf dem ehemaligen Mauerstreifen stehen ungefähr 60-jährige hochgewachsene  Pappeln, die im Rahmen der „Kiezaufwertung“ natürlich gefällt würden. Hier wurde noch einmal an den Zusammenhang zu den beiden Baugruppen in der Karl Kunger Strasse / Ecke Lohmühle erinnert. Diese Neubauten mit Eigentumswohnungen haben mit einem Quadratmeterpreis von 2000,- Euro vor zwei Jahren den Anfangspunkt einer aggressiven Bebauung von Brachflächen  gesetzt. Die beiden Baugruppen ( „KarLoh“ & „Zwillingshaus“) können auch als vorantreibende Gentrifizierungsprojekte der neuen Mittelschicht bezeichnet werden. Der Name der Stadtteilgruppe „Karla Pappel“ leite sich aus dem damals entstandenen Kampf gegen die Fällung von ebenfalls 60-jährigen Pappeln ab. Einkommenschwache Schichten sollten bezahlbare Mietwohnungen vorfinden statt Eigenheime auf den wilden Brachen im Kiez.

    Elsenstraße / Kiefholzstraße

  • An der Elsenstraße wurde die A 100 thematisiert und ihre Auswirkungen auf den Kiez. Die Kündigung von Kleingärten entlang der geplanten A100 war rechtswidrig, doch die Kleingärtner haben mittlerweile ihrer Kündigung zugestimmt. Die Stadt versucht nun mit weiteren juristischen Verfahren die A100 durchzusetzen und beauftragt dafür externe Juristen mit einem Stundenlohn von zum Teil 500,-Euro. Der A100 müssten im Kiez auch drei Häuser in der Bearwaldstraße weichen – wenn der Widerstand von Seiten der GegnerInnen dies zuläßt.
    Wohnen am Hochdamm

    Wohnen am Hochdamm

  • Am Hochdamm in der Kiefholzstrasse 416-418 war der geplante Bau von weiteren 60 Eigentumswohnungen Thema und der Abriss  von Garagen. Die Besitzer erhalten für die zu DDR-Zeiten selbst aufgebauten Garagen keinerlei Abfindungen, dafür will sich die Baugruppe dort Tiefgaragen einrichten, einen hauseigenen Kinderladen und hat sich vorsorglich schon mal ein Gentrifizierung-Zertifikat ausgestellt. Der Quadratmeter hier soll schlappe 2400 Euro kosten, bei 10.000 Quadratmeter Wohnfläche. Nur dreizehn Wohnungen sind vergeben. Das soll auch so bleiben.
    Loft Living

    Loft Living

  • In der Kiefholzstraße 22 entstehen in einem ehemaligen Fabrikgebäude Luxuslofts. Wie so oft im Kiez üblich wird auch hier ohne Bauschild gebaut. Den Behörden muss Absicht unterstellt werden, da sie auch in anderen Fällen trotz Beschwerden nicht zu Maßnahmen im Kiez griffen. So bleibt noch im Dunkeln welche üblen Gestalten dort bauen und sich daran goldene Nasen verdienen. Bekannt aber ist die Person die im Kiez das Gebäude vor einigen Jahren für 90.000 Euro vom Liegenschaftsamt gekauft und vor knapp einem Jahr für 500.000,- Euro weiterverkaufte. Wohnen wird als Immobilienanlage betrieben, auf Kosten der einkommensschwachen Schichten. Der Senat deckt diese Schweinereien.
    Inselmarkt

    Inselmarkt

  • Immer wieder erzählte eine andere Anwohnerin, ein anderer Anwohner, von weiteren Veränderungen. Besonders hart und augenfällig ist die Situation am Inselmarkt. Die gepachtete Fläche war lange Teil des Kiezes mit seinen Marktständen und Fahradreparaturplatz. Erst hat Architekt mit einer weiteren Baugruppe im Schlepptau nach einer Möglichkeit gesucht das Gelände zu kaufen und ein Haus auf Stelzen zu bauen um den Inselmarkt zu erhalten, was zur allgemeinen Erheiterung als schönfärberische Idee interpretiert wurde. Doch nun hat das Gelände für 420.000 Euro den Besitzer gewechselt – und natürlich wird auch dort auf eine Weise gebaut werden, die den Mietspiegel weiter anheizt. Hartz IV BezieherInnen finden zum Beispiel wie in Kreuzberg auch in Alt Treptow keine bezahlbaren Wohnungen mehr vor.
    Schmollerplatz

    Schmollerplatz

  • Die eigentlich letzte Station im Kiezspaziergang bildete die Baugruppe am Schmollerplatz. Der Architekt dieser Eigentumswohnungen (er nennt sie neutraler klingend „20 Wohneinheiten“) war beispielsweise stellvertretender Projektleiter beim Bau am Bundeskanzleramt. Ein Biotop, das seit Bestehen Berlins noch nie bebaut wurde, mußte seinen Baggern weichen.  Auf Gute Nachbarschaft und Herzlich Willkommen im Kiez der Verdrängung. Zwei weitere Beiträge hoben die Rolle der städtischen Wohnungsbaugesellschaften hervor, die ihren sozialen Aufgaben nicht nachkämen, sondern überteuerte Mieten nehmen, bzw. öffentliche Wohnungen in Senatsauftrag in Eigentumswohnungen umgewandelt haben.
    Krüllsstraße

    Krüllsstraße

  • Nun folgte ein neuer Punkt in der Route. In der Krüllsstrasse luden Leute den Kiezspaziergang zu Kaffee und Kuchen ein.   Also ging der Kiezspaziergang dort noch hin, das Gelände stand offen und der Kuchen war lecker. Der Vorschlag der Schaffung eines Stadtteilzentrums für jung und alt wurde unterbreitet. Ein Ort zur Mieterberatung wurde vorgeschlagen und ein Treff für Jugendliche. Ein Kiezkaffee und ein ständiger, sogenannter „Umsonstladen“ und ein Flohmarkt. Der Ort könne ein Ort sein an dem sich alle treffen die keine Lust mehr auf die „Konsumgesellschaft“ haben, die einsam sind… In einem breit verteilten Flugblatt heißt es dazu: „…das sich heute unterschiedliche Menschen einen Ort angeiegnet haben, an dem eine Stadtteilzentrum entstehen soll.“ Gerade mit dem Wegfall des Inselmarktes, der Dreistigkeit von Baugruppen und Investoren, mit dem der Kiez zerstört wird, und der Unterstützung des Senates von Mieterhöhungs- und den sich anschließenden Verdrängungsprozessen ist diese Idee bestechend. Gegen Abend, als viele KiezspaziergängerInnen sich in das warme zurückgezogen hatten kamen Polizisten und nahmen recht wahllos die Personalien von AnwohnerInnen wegen angeblichem Hausfriedensbruch vor dem Gelände auf. Die ehemalige Autowerkstatt wurde durch die Polizei verschlossen. Albern zu glauben, das die Polizei ein politisches Problem lösen kann, das nur noch die Betroffenen selber lösen werden können.

Fazit: Der Kiezspaziergang war sehr stark besucht und hat der Stadtteilgruppe und ihrer Arbeit auch den Rücken gestärkt. Wir sind im Kiez sicherlich nie einer Meinung, aber wir sind auch nicht wenige die die angebliche „Aufwertung“ als Verdrängungsprozess erleben. Worin wir aber sicher sind ist, dass wir einen starken Rückhalt in der Forderung haben, dass niemand der wenig Geld zur Verfügung hat diesen Kiez verlassen soll und dass wir uns bemühen das auch durchzusetzen. Die „Aneignung“ war ein wichtiger Schritt für den Kiez nicht mehr nur zuzuschauen was hier passiert sondern zu beginnen unser Schicksal auch selber in die Hand zu nehmen. Wir sind eine Erfahrung reicher.

Vielen Dank allen, die uns unterstützt haben!!!

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