Zwei Jahre Karla Pappel – Ein kleines Resumée

Die Stadtteilinitiative in Alt-Treptow war auf alles vorbereitet, nicht aber auf eine kleinbürgerliche Mittelschicht aus dem alternativen Milieu. Es waren eben nicht die Investoren und Immobilenfritzen, die da bauten und die lukrativen Brachen mit dem unkontrollierten Grünwuchs zerstörten, sondern „Gutmenschen“, die so taten, als seien sie das kleinere Übel und gut für den Kiez.

Kleinbürgerlich, öko, liberal, akademisch, weiß sowieso. Das gute Einkommen, das Erbe, die Bürgschaft der Eltern bildet die Grundlage dieser Bauherrenmodelle in Kiezen, in denen Kinder behütet und sicher aufwachsen sollen, abgeschirmt von migrantischen und armen Kindern.
Mitte, Prenzlauer Berg,…immer dasselbe langweilige Lied.

Waren die Baugruppen „KarLoh“ und „Zwillingshaus“ nur die Pioniere von Gentrifizierung, so haben wir bereits sieben dieser Baugruppen im Kiez. Der Quadratmeterpreis für Eigentum ist von 2000 auf 3000 Euro gestiegen – Die Mieten steigen bei den öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften wie bei den Privaten. Im Rahmen schleichender Umwandlung von Mietwohnungen werden ganze Häuser in Eigentum umgewandelt.

Die Rot-rote Regierung, die Grünen – die aktuelle und zukünftige Regierungskoalition also – sie alle begrüßen die Aufwertung und den Zuzug von Kaufkraft, was nichts anderes heißt, als dass Menschen mit wenig Geld eine Abwertung erfahren.
Interessant sind nicht die ewig gleichen Argumentationen der BaugruppenspießerInnen: Dass sie niemand verdrängen würden, oder dass sie doch Wohnungen frei machen, sie seien besser als ein Investor, ob wir was gegen Veränderung hätten, sie hätten auch kaum Geld- Und immer wieder dieee Kiiinder…

Spannend ist vielmehr, dass es u.a. Karla Pappel gelang, trotz starker Gegenwehr der gutvernetzten Baugruppen eine Kritik an dem neoliberalen Charakter der eigentumsbildenden Baugruppen zu etablieren. Und sich vor allem im Kiez zu verankern! Vor allem Letzteres gibt der pointierten Kritik recht. Denn selbst die Versuche mit Hilfe der SPD, der taz und dem RBB, die Kritik an Baugruppen mundtot zu machen, den Konflikt als Familienstreit zu entpolitisieren und zu brechen, ist bisher misslungen.
In der Beharrlichkeit und politischen Genauigkeit, den Bau von Eigentumswohnungen als Trend einer sich neu herausbildenden neoliberal-orientieren Mittelschicht zu kritisieren und anzugreifen, hat sich vor allem bei den Anwohner_innen dauerhafterer Zuspruch herausgebildet, die lange im Kiez wohnen und mit wenig Geld auszukommen haben.

Regelmäßige Kiezspaziergänge, Picknicks, Veranstaltungen, öffentliche Störungen von Baugruppenversammlungen oder bei teuren Wohnungsvermietung machen die Initiative zu einem wahrnehmbaren und politischen Faktor im Kiez. Und vielen Menschen, die mit wenig Geld auskommen müssen, beginnt zu dämmern, dass die sogenannte Aufwertung nicht ihnen zugute kommt, sondern Mieterhöhung und Verdrängung aus dem Kiez zur Folge hat.

Der Initiative gelang es nicht nur eine Mieterberatung aufzubauen sondern gemeinsam mit von Mieterhöhung Betroffenen bei der Wohnungsbaugesellschaft „Stadt und Land“ offensiv zu handeln und eine Protestnote zu überreichen. Das mag sich nicht nach viel anhören, aber dass es überhaupt gelingt, sich mit anderen Menschen an der Mietfrage zu treffen und gemeinsam etwas zu versuchen, ist viel wert.
Ein Gegenschritt zum isolierten Leben im Neoliberalismus: Das Private wird politisiert. Konkret heißt das; es entstehen Kontakte zu anderen Menschen und neue soziale Verbindungen. Plötzlich erfährt man nicht nur über ein neues Bauprojekt etwas, und wieviel die Miete kostet, sondern auch über die Lebensumstände anderer Menschen, mit den wir nicht einfach so zusammen kommen normalerweise.
Und da wird es spannend. Kann man mehr miteinander anfangen? Hat man die Kraft und den Willen sich zusammenzutun und zu wehren? Man befreundet sich ganz vorsichtig. Was ist da vorstellbar? Damit keine Täuschung aufkommt; ohne Zähigkeit und Ausdauer als Initiative und Offenheit für andere Leute passiert gar nichts. Und worum es geht, ist nicht minder spannend, gelingt die Selbstorganisierung verschiedener Schichten, vom Alki bis zur Rentnerin, vom Autonomen bis zur Alleinerziehenden. Und nicht legalistisch, sondern eben das, was ansteht auch zu tun? Und wenn nicht heute dann morgen. Und wenn nicht morgen, dann übermorgen.

Wenn wir, die wir von Mieterhöhung und Verdrängung betroffen sind, nicht schaffen, zusammen zu kommen, gegen die Bioyuppies, die Investoren und egal welche Regierung, wie wollen wir dann in den Kiezen bleiben, in denen wir eigentlich wohnen bleiben wollen?
Man kann uns unterstützten. Indem Ihr radikale, nicht legalistische und außerparlamentarische Stadtteilinitiativen in Euren Kiezen aufbaut, die sich verankern und sich mit anderen Betroffenen zusammentun. Vernetzen und bündeln wir dann unser Kräfte.

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